Zähneknirschen, Zungen- und Lippenpressen, Kiefergelenksbeschwerden- Craniomandibuläres Dysfunktionssyndrom

Für den Substanzverlust an Zähnen während des Lebens sind Kauvorgänge nur zum geringen Teil verantwortlich, den überwiegenden Teil verursachen Parafunktionen, wie Zähneknirschen, zumeist nachts, aber auch am Tage. Schmerzhafte Verdickungen der Kaumuskeln, Kiefergelenksbeschwerden, überempfindliche Zähne, ja sogar Eröffnung der Nervkanäle sind die Folgen.
Sehr viele Menschen leiden darunter, wenn auch nicht immer mit den beschriebenen extremen Folgen. Bereits im Milchgebiß beginnt das nächtliche Zähneknirschen, wenn die Milchzähne ausfallen, haben sie oft kaum noch ein Kauflächenrelief.

Diese gewebeschädigenden Fehlfunktionen stellen wahrscheinlich eine Form des Streßabbaus dar- das erklärt auch ihre Häufigkeit in der modernen Zeit.
Die Therapieansätze sind vielfältig und oft unbefriedigend. Nahm man früher an, daß Vorkontakte einzelner Zahnpaare beim Kauen den nervalen Regelkreis für das Knirschen in Gang setzten („da ist etwas, das stört und beseitigt werden muß“), so ist man heute der Auffassung, daß die Parafunktionen vom Hirnstamm ausgehen und als Hirnstammreflex daher kaum zu löschen seien. Das erklärt zum Beispiel, weshalb die Eingliederung von Schienen keine dauerhafte Abhilfe schaffen kann und weshalb Einschleifmaßnahmen von Vorkontakten lediglich das ruckartige Einwirken von Kräften im Kiefergelenk und damit die Kiefergelenksbeschwerden etwas abmildern, aber nicht zugleich das Knirschen beseitigen.
Immer wieder wurden auch psychotherapeutische Ansätze versucht. Deren Gemeinsamkeit besteht darin, daß über den Weg des Bewußtseins der Hirnstamm erreicht werden soll. Wie schwierig und belastend aber das Umlernen selbst einfachster Gewohnheiten sein kann, hat sicher schon jeder einmal erlebt.

Einen Versuch, den Hirnstammreflex des Knirschens zu schwächen und damit das Knirschen ursächlich zu behandeln, stellte das Grindcare- Konzept dar. Mittels einer auf die Haut geklebten Elektrode werden die Kaumuskelaktivitäten im Schlaf gemessen; nach Feststellung einer Knirschaktion wird ein schwacher Stromstoß abgegeben, der die Muskelaktivität stört und die Parafunktion des Knirschens unterbricht. Man hoffte auf diese Weise, auf den Hirnstamm einzuwirken, den Reflex des Knirschens aktiv zu mindern durch Umlernen auf der Ebene des Hirnstammes. Nachhaltige Erfolge aber scheinen ausgeblieben zu sein.

Welche Therapiemaßnahmen letztlich zum Einsatz kommen, ob die Kauflächen neu aufgebaut werden sollen, ob Weisheitszähne entfernt werden, ob ein Zungengitter das Pressen der Zunge gegen die Zahnreihen mildern soll, ob eine Mundvorhofplatte die Lippenmuskulatur beeinflussen soll, ist immer eine Frage der individuellen Gegebenheiten beim Patienten und der Erfahrung des Zahnarztes. Trotz der Schwierigkeiten, die Hirnstammreflexe zu mildern, sollte für therapeutischen Nihilismus kein Anlaß bestehen.